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Wirklich empfehlenswerte Platten, die Neuen von Turner, Fiona Apple, We Are Scientists und My Morning Jacket. Was man vom ersten Post-Libertines-Album nicht gerade behaupten kann.

Turner: Slow AbuseFiona Apple: Extraordinary MachineWe Are Scientists: With Love And SqualorMy Morning Jacket: ZBabyshambles: Down In Albion

Turner
Slow Abuse
19.09.2005

Sein Album "A Pack Of Lies" zählte zu den viel zu wenig beachteten Popperlen des Jahres 2002. Elektronik vom feinsten. Noch dazu hochmelodiös. Und im Gegensatz zu anderen Genre-Vetretern vermittelte "A Pack Of Lies" auch noch jenes rare Gefühl von Wärme. Kurz: Eine wirklich schöne Platte. Manche meinen sogar: Zu schön um wahr zu sein. Nach drei Jahren gibt es nun den Nachfolger. Nur soviel: Das Warten hat sich gelohnt. Auch wenn sich manches im Hause Turner verändert hat. Von seinen Technowurzeln ist auf "Slow Abuse" jedenfalls nicht mehr viel zu hören. Die Beats rücken in die zweite Reihe. Stattdessen kommen vermehrt Folk-Anleihen zum Zug. Der Sound ist oftmals von Gitarren und Keyboards geprägt. Natürlich geht auch "Slow Abuse" als elektronische Platte durch. Nur ist es eine der ganz verfrickelten Sorte geworden. Die noch dazu von einer durchgehend ruhigen und bedächtigen Stimmung gekennzeichnet ist. Man könnte es auch als eindringlich bezeichnen. Im Vergleich zum Vorgänger auch weniger offensichtlich. Auf jeden Fall ist es traurig geworden, das neue Turner-Album. Aber auch sehr gut. Ein stilles Meisterwerk. Wie gemacht für die herbstliche Jahreszeit. [apackoflies.com] [lado.de]

Fiona Apple
Extraordinary Machine
03.10.2005

1996: "Tidal". 1999: "When The Pawn...". Danach hat man von Fiona Apple nichts mehr gehört. Zumindestens musikalisch. Nicht allein ihre Schuld. Immerhin war ihr drittes Album bereits Mitte 2003 fertig eingespielt. Im Herbst sollte es dann auch veröffentlicht werden. Dagegen hatte allerdings die Plattenfirma etwas. "Extraordinary Machine" sei zu wenig kommerziell und hätte keine vermarktbare Single. Man orderte Apple zwecks Neuaufnahmen zurück ins Studio. Was wiederum der Künstlerin überhaupt nicht passte. Zwei Jahre lang lag das Album auf Eis, bis es dieser Tage doch noch auf den Markt kam. Nun ja, Fiona Apple musste Zugeständnisse machen. Das weiß man deshalb, weil im März dieses Jahres die erste von Jon Brion produzierte Fassung im Netz auftauchte. Und diese unterscheidet sich von der offiziellen Veröffentlichung in mehr als einem Punkt. Da wäre eine andere Tracklist - inklusive einem vollkommen neuen Song - und so manch abgeänderte Version. Nicht zu vergessen Mike Elizondo als neuen Produzenten. Soviel zu den Fakten. Und wie ist die Musik geworden? Typisch Fiona Apple. Die Kompositionen sind durchgehend exzellent. Egal in welcher Fassung. Beim direkten Vergleich wirkt die Elizondo-Version etwas voller und durchproduzierter, nicht ganz so roh wie jene von Brion. Das mag bei manchen Songs positiv sein, bei anderen weniger. Man sollte beides gehört haben. In diesem Sinne: "Extraordinary Machine" kaufen. Und die "alte" Fassung als Bonus-Disc downloaden. [fiona-apple.com] [freefiona.com]

We Are Scientists
With Love And Squalor
17.10.2005 (UK-Import)

Katzen auf dem Album-Cover. Was soll da noch schief gehen? Das New Yorker Trio weiß, wie man mich ködern kann. Das mit den niedlichen Vierpfotern ist in Sachen We Are Scientists aber bei weitem nicht alles. Diese Band schreibt nämlich vor allem unverschämt gute Songs. In Form hochansteckender Drei-Minüter mit dem Hang zu einer besonders energischen Mischung aus Indie-Pop, Post-Punk und Art-Rock. Alles extrem kompakt und äußerst packend vorgetragen. Im klassischen Three-Piece-Line-Up: Gitarre, Bass, Schlagzeug. "With Love And Squalor" bietet Power ohne Ende. Ist dabei jedoch nie um die ganz großen Melodien verlegen. Herausragend die beiden Singles "Nobody Move, Nobody Get Hurt" und "The Great Escape". Aber nicht nur diese. Natürlich wird da auch schamlos geklaut. Was soll's. Solange sich das auf die gesamte Spieldauer von 37 Minuten dermaßen positiv auswirkt. "With Love And Squalor" ist jedenfalls ein wirklicher Treffer geworden. Ausfälle gibt es nur wenige. Und selbst diese haben noch etwas für sich. Mit Sicherheit eines der Debutalben des Jahres. Ich mache mich jetzt jedenfalls auf die Suche nach den drei selbstfinanzierten EP's von We Are Scientist. Erschienen zwischen 2002 und 2004. Alles sicher supertoll. [wearescientists.com]

My Morning Jacket
Z
17.10.2005 (UK-Import)

Unlängst habe ich irgendwo im Internet gelesen, dass dieses Album das neue "OK Computer" sei. Gleichzeitig bezeichnete man MMJ als die "Acid-Country Radiohead". Etwas übertrieben, wie ich meine. Thom Yorke und Band bleiben unangetastet. Erst recht wenn es um ihr unumstrittenes Meisterwerk aus dem Jahre 1997 geht. Vielleicht kommen die hochangelegten Vergleiche auch daher, dass das vierte Album von MMJ von einem gewissen John Leckie produziert wurde. Und der saß bekanntlich auch bei "The Bends" hinter den Reglern. Wie dem auch sei, wirklich viele Gemeinsamkeiten zu Radiohead sind mir beim Durchhören von "Z" nicht aufgefallen. Dafür klingt das Quintett aus Louisville, Kentucky viel zu wenig nach Pop und viel zu sehr nach einer Mischung aus Rock, Folk und Country. Klingt altbacken, ist es aber nicht. "Z" mag zwar tief in der Vergangenheit verwurzelt sein, präsentiert sich allerdings keinesfalls als ein langweiliges Retro-Werk. Stattdessen werden die traditionellen Klänge auf einen neuen Level gebracht, indem man probiert und experimentiert. Jeder Song besticht durch Liebe zum Detail. Ohne dabei jedoch die Komposition als solche aus den Augen zu verlieren. Das Ergebnis ist vielseitig und abwechslungsreich. Eben ein typischer Kritikerliebling. Wen wundert es da noch, dass die Musikpresse jenseits und diesseits des Atlantiks geschlossen in Lobeshymnen schwelgt. Inzwischen kann auch ich die Euphorie sehr gut nachvollziehen. [mymorningjacket.com]

"(Ex-)Helden, die in die Kacke greifen" mit "Junkie XL" Doherty. Wer, wenn nicht er?

Babyshambles
Down In Albion
14.11.2005

Ich mochte die Libertines. Präziser: Ich mochte ihre beiden Alben. Mit der tragischen Figur Pete Doherty konnte ich schon damals herzlich wenig anfangen. Obwohl ich auch jetzt noch die Meinung vertrete, dass der Junge alles andere als untalentiert ist. Nur jenes Jahrhundertgenie, als das er gerne hingestellt wird, ist er mit Sicherheit auch nicht. Wie auch immer. Nach dem Ende der Libertines hat Doherty die Babyshambles ins Leben gerufen. Und nun liegt deren erstes Album vor. Produziert wurde "Down In Albion" von Mick Jones. Wer sonst? Dessen Einfluss hört man auch. Von wegen Reggae- und Ska-Anleihen. Und der ungehobelten Gangart. Was seine Reize haben mag, im Falle der Babyshambles dann aber doch zu sehr von Dohertys grauenhaftem Herumgelalle dominiert wird. Der Typ konnte zwar schon zu Libertines-Zeiten nicht singen, auf "Down In Albion" klingt das alles allerdings nur noch sturzbetrunken. Noch dazu ziemlich verzweifelt. Und zwar 16 Songs und beachtliche 64 Minuten lang. Soviel Musik hätte ich dem Junkie gar nicht mehr zugetraut. Zugegeben: "Down In Albion" ist nicht gänzlich schlecht. Da sind schon auch Momente drauf, die etwas für sich haben. Nur sind diese ziemlich rar. Der Titelsong sticht da positiv heraus. Wenn das gute Stück auch nicht mal ansatzweise an den Output der Libertines heranreicht. Carl Barat scheint also doch wichtiger gewesen zu sein, als sich viele eingestehen wollen. Ich jedenfalls freue mich schon auf die Dirty Pretty Things. [babyshambles.net]

Noch etwas zum Thema: Vor ein paar Tagen wurde die gesamte Europa-Tournee der Babyshambles abgesagt. Das betrifft auch den Auftritt am 10.11. im Wiener Gasometer. Gut ein Monat ist die Meldung, dass es dieses Konzert geben würde, nun her. Anfangs noch mit dem Flex als Veranstaltungsort. Die Absage kam ohne Angabe von Gründen. Oder bestenfalls irgendwelchen fadenscheinigen (Management-Wechsel und so). Auch egal, kennen wir diese doch ohnehin. Oder können sie uns wenigstens denken. Wer also wirklich daran geglaubt hat, dass die Babyshambles ihren geplanten Wien-Gig einhalten würden, der ist meiner Meinung nach ohnehin selbst Schuld. Dabei habe auch ich kurz damit spekuliert. Man stelle sich nur mal vor, der gute Pete Doherty segnet gerade hierzulande das Zeitliche und man versäumt es. Huch, wie pietätlos. Ich bin mir allerdings sicher, dass nicht gerade Wenige bei diesem Konzert einfach nur mal schauen gegangen wären. Nach dem Motto: Vielleicht passiert ja irgendetwas Sensationelles. Immerhin ist das doch der Typ, der Kate Moss in die Rehab gebracht hat. Wen interessiert da noch die Musik? Laut Verantalter wird es übrigens im Frühling 2006 einen Ersatztermin geben. Natürlich. Und Pete Doherty lässt das mit den Drogen sein. Alles wird gut...