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Es wurde alles andere als das erwartete Schön-Wetter-Fest, das Österreich-Debut von Coldplay. Teil 2 erzählt von einem etwas anderen Konzertabend, der trotzdem Spaß machte.

Coldplay werden über kurz oder lang die größte Band auf diesem Planeten sein. Vielleicht passiert es noch diesen Sommer. Vielleicht aber auch erst nach dem nächsten Album. Passieren wird es auf jeden Fall. Denn die Herren um Frontmann Chris Martin machen schlichtweg großartige Popmusik. Und vor allem machen sie diese für jedermann. Auf ihren drei bislang erschienenen Alben wird nicht groß experimentiert oder sinnlos auf Kunst gemacht. Wer Musik mit Ecken und Kanten will, der ist bei Coldplay falsch. Ganz im Gegenteil zu all jenen, die sich hin und wieder auch mal balladesker Schönheit hingeben wollen. Zugegeben: Coldplay machen nicht gerade die coolste Mucke auf Erden, sie deshalb aber gleich schlecht zu finden, ist hochnäsig. Und wenn die "U2 von morgen" endlich mal in Österreich spielen, dann will man sich das natürlich nicht entgehen lassen. Auch wenn man dafür ins entlegene Pielachtal reisen und dort aufgrund eines verregneten Wochenendes im knöcheltiefen Schlamm ausharren muss.

A Concert For Lovers.

Richard AshcroftIm Vorprogramm präsentierten Coldplay bei der diesjährigen Tournee einen ganz besonderen musikalischen Leckerbissen: Richard Ashcroft. In solch einem Fall kann es dann schon mal vorkommen, dass Chris Martin höchstpersönlich für die einleitenden Worte auf die Bühne kommt ("He's at least one of the two best singers in the world."). Was danach passierte, kann man eigentlich nur als den verfrühten Höhepunkt dieses Abends bezeichnen. Und das, obwohl ich mir im Vorfeld gar nicht mal so viel von dem Auftritt des ehemaligen The Verve-Frontmannes versprach. Zu gut war mir noch dessen letztes Wien-Gastspiel im Gasometer in Erinnerung, dass damals hoffnungslos in einem maßlos übertriebenen und viel zu lauten Soundbrei unterging. Seine Konzertserie im Vorprogramm von Coldplay präsentierte sich hingegen in einem ganz anderen Licht. Kein übertriebenes Schnick-Schnack. Selbst auf eine Begleitband verzichtete Ashcroft. Die ersten Stücke seines Greatest Hits-Sets - auf neues Songmaterial wartete man vergeblich - gab er sogar einzig mit seiner Akustikgitarre zum besten. Bei dieser Stimme kein Manko. Danach ließ er wenigstens die Begleitung eines Keyboarders zu. Weiterhin jedoch keine Spur vom satten Orchestersound seiner letzten Tournee. Und wenn einer der Songs dann doch etwas mehr Bombast benötigte, bediente man sich halt einer Einspielung vom Band. Wie beim abschließenden "Bitter Sweet Symphony". Spätestens zu diesem Zeitpunkt hatte sich Ashcroft dann auch seiner Schuhe entledigt und gab sich gewohnt barfuß seiner Musik hin. Zu Beginn war ihm dafür wohl doch noch etwas zu kühl. Was sich aufgrund seiner mitreißenden Performance schon bald ändern sollte. Was leidet dieser Mann doch auch herrlichst vor sich hin. Wer dabei keine wohlige Gänsehaut bekam, der kann zu diesem Festivalausflug nur gezwungen worden sein. Man bedenke nur das pathosbeladene Dahinschmachten des darauffolgenden Hauptacts.

Music For The Masses.

Ganz im Gegensatz zum minimalen Aufwand des Support-Acts präsentierten Coldplay ein Freiluftkonzert mit allem Drum und Dran. Inklusive perfekt inszeniertem Licht, großflächigen Videoinstallationen und erstklassigem Sound. Passend dazu der Hitmix aus alt und neu. Alles perfekt vorgetragen. Mit einem Chris Martin im Zentrum, der je nach Bedarf zwischen Klavier, akustischer und E-Gitarre wechselte und sich bei seinen Zwischenansagen stets als sympathischer Zeitgenosse präsentierte. So sind sie nun mal. Professionell ohne Ende. Meiner Meinung nach fast schon zu professionell. Der Konzertablauf wirkte mit Fortdauer nämlich dann doch ein wenig zu einstudiert. Auf das gewisse Etwas wartete man jedenfalls vergeblich. Ich würde sogar soweit gehen, zu behaupten, es fehlte am nötigen Quentchen Hingabe. Übrigens ganz im Gegensatz zur Performance von Herrn Ashcroft.

Chris MartinNach drei Zugaben und genau 90 Minuten verließen Coldplay die Bühne und kamen nicht mehr wieder. Auch das war früher anders. Zum Abschluss gab es einzig noch ein kleines Feuerwerk. Was ich allerdings bereits von der Ferne betrachtete. Denn zu diesem Zeitpunkt war ich schon längst auf dem Weg zum Auto um mir wenigstens das große Gedränge nach dem Konzert zu ersparen. Was bin ich doch froh gewesen, als ich dann endlich auf der B39 bzw. A1 Richtung Heimat unterwegs war.

Die Nachbetrachtung.

Fazit (1): Das Wetter war entgegen allen Voraussagen zumindestens während der zwei Konzerte gar nicht mal so schlecht. Zumindestens wurde man vom Regen verschont. Wenn ich mich nicht irre, waren da am frühen Abend sogar einige blaue Stellen am Himmel zu entdecken. Versunken ist man natürlich trotzdem im Schlamm. Zu sehr war das Gelände von den Wassermassen, die am Wochenende über Niederösterreich niedergefallen sind, in Mitleidenschaft gezogen. Wobei sich natürlich schon die Frage stellt, warum eine dreitägige Musikveranstaltung vor tausenden Leuten ausgerechnet auf einem Gelände abgehalten wird, das laut Feuerwehr bei Regen immer überschwemmt ist. Da lobe ich mir die Festivals in Wiesen.

Fazit (2): Unabhängig von den widrigen Umständen war der Ausflug ins Pielachtal jedoch die Reise wert. Zumindestens in Sachen Musik. Denn an den Konzerten dieses Abends gab es nur wenig auszusetzen. Richard Ashcroft war genial. Meiner Meinung nach sogar der heimliche Hauptact. Und Coldplay konnten zumindestens überzeugen. Wenn bei ihrem Auftritt auch nicht gerade der Funke übersprang. Damals in München war das noch anders. Obwohl - wenn ich mich recht erinnere - hat es am 10.November 2002 auch geregnet. Aber wenigstens stand ich damals in einer Halle, hatte festen Boden unter den Füßen und ein Dach über dem Kopf. Festivals werden wohl nie so recht mein Ding sein.

Coldplay / Richard Ashcroft
10.07.2005 - Nuke-Festival, Pielachtal.


Setlist:
Square One / Politik / Yellow / God Put A Smile Upon Your Face / Speed Of Sound / Low / Warning Sign / Everything's Not Lost / White Shadows / The Scientist / Til Kingdom Come / Don't Panic / Clocks / Talk / Swallowed In The Sea / In My Place / Fix You. [coldplay.com]

Mehr davon in
CHRONIK EINER ANGEKÜNDIGTEN SCHLAMMSCHLACHT (1).
punani - 13. Jul, 22:12:
mich hätten am wochenende kein 10 pferde vor die tür gebracht, vor allem wenn man beim unabkömmlichen zigarettenkauf nach ein paar minuten fußmarsch schon das gefühl hat man würde über einen teppich laufen, weil die hose stetig abwärts wandert.
:-) 
wasix - 14. Jul, 10:28:
weise entscheidung...
...am vergangenen wochenende das trockene vorgezogen zu haben. obwohl... bislang haben sich bei mir noch keine folgeerscheinungen der schlammschlacht eingestellt. war jedenfalls ein erlebnis. 
analog_at - 14. Jul, 09:33:
richard der I & chris m als sein lakai
vielleicht war es die negative einstellung aufgrund des schlechten wetters, aber coldplay mutieren zum kommerzmonster ala u2. schade eigentlich für diesen ausverkauf. intime songs werden zum mitsingen und schunckeln verdammt. ein horror!!! wir haben eh schon u2 und jetzt noch coldplay!!! tatsache ist jedoch, richard ashcroft spielte nur mit gitarre und keyboardbegleitung die perfekte show von coldplay an die wand!!! das lob ich mir..... 
wasix - 14. Jul, 16:26:
in diesem sinne...
...lang lebe richard I.

zitat: "irgend so ein singer-songwriter" ;-))) 
srocca - 15. Jul, 11:56:
Richard Number 1
Richard Ashcroft war einzigartig. Allerdings gabe es einen Teil des Publikums der das nicht zu schätzen wusste. Vor mir standen ein paar Typen, die meinten: "wer immer das war, er hat ja ganz nett gesungen, aber halt nichts besonderes". Ich habe kurz überlegt, ob ich denjenigen treten soll, aber der war halt viel größer als ich, na ja.... 
wasix - 15. Jul, 14:55:
du (potentieller) rowdie, du...
mir ging es mit diesen "unwissenden" coldplay-fans ähnlich. von daher auch das zitat im obrigen kommentar. ein drama...