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Zur Beruhigung aller Moralapostel: Das neue Nine Inch Nails-Album gibt es nun auch auf ganz legale Weise vorab zu hören...

Trent Reznor Trent Reznor Trent Reznor www.myspace.com/ninofficial

Waiting For Halo_Nineteen. Part_Eleven.
Libro-Hall, 20.11.1999.


Mehr als fünf Jahre waren seit dem letzten Wien-Gastspiel von NIN vergangen. Angeblich sollte sich bei der Live-Band um Trent Reznor einiges verändert haben. Keine exzessiven Amokläufe auf der Bühne, kein Drang zur Selbstzerstörung mehr. Und das, obwohl die Besetzung dieselbe blieb. Zumindestens fast. Einzig Langzeitmitglied Chris Vrenna verabschiedete sich und wurde durch Drummer Jerome Dillon ersetzt. Was nicht ohne Folgen blieb.

Back In Orange.

Trent ReznorDüster war sie, die apokalyptischen Bühnenshow mit ihrem brachialen Industrial-Lärm. Damals im Juni 1999. Längst vergangene Zeiten. Obwohl man sich anfangs noch durchaus an den Sensationsgig in der Arena erinnert fühlte. Denn auch dieses Mal wurde die Show mit dem dröhnenden Intro von "Pinion" eröffnet. Von der Bühne war zu diesem Zeitpunkt noch nichts zu erkennen. Ebenso ähnlich dem Szenario von vor fünf Jahren. Nur mit dem Unterschied, dass diesmal keine undurchsichtige Nebelwand Einblick verwehrte, sondern ein schwarzer Vorhang. Das brachiale Soundgewitter erreichte bereits nach wenigen Sekunden seinen Höhepunkt. Die ersten Takte von "Somewhat Damaged" erklangen. Der Vorhang hob sich. Grelle Lichter erhellten das dargebotene Bühnenszenario. Unglaublich, aber man erkannte die gesamte Band. Fünf Mann. Und über jedem ragte eine Art postmoderner Kronleuchter, bestehend aus Reflektoren und Neonstäben. Dann fiel der Blick auf ihn. Des Grufties schwarze Seele zeigte sich verwirrt. Reznor im orangefarbigem Hemd. Der Schock muss tief gesessen haben. Da gab sich die Fangemeinde alle Mühe im einheitlichen Schwarz anzutreten und dann soetwas. Ehrlich: Sympathischer hätte sich Reznor gar nicht präsentieren können.

NIN - 20.11.1999, Libro-Hall.Was folgte, war ein Querschnitt durch das zehnjährige Schaffen von NIN. Bemerkenswert, dass das neue Material dabei keinesfalls den Schwerpunkt bildete. Im Gegenteil. Die älteren Stücke dominierten das Set. Dabei wechselte die Band gekonnt zwischen gewohnt harter Aggressivität und feinfühligen, ruhigen Momenten. Die weitaus varantenreichere Spielform von Drummer Dillon ließ soetwas inzwischen auch zu. Der Sound mag zwar großteils immer noch düster gewesen sein, aber doch wesentlich zugänglicher als in früheren Tagen. Dieses Szenario unterstrichen auch die stimmungsvollen Lichtspiele, welche völlig neue Einblicke in das Wesen der Band ermöglichten. Da waren keine grimmig dreinschauenden Gestalten mehr, sondern ambitionierte Musiker, die Freude an ihrem Schaffen hatten und die Resonanz des Publikums genossen. Nur selten flog an diesem Abend noch ein Mikro oder anderes Equipment quer über die Bühne. Obwohl es doch einen Moment gab, wo ein Tasteninstrumente sein mechanisches Dasein lassen musste. Vielleicht war es bloß ein Rückfall in vergangene Zeiten. Vielleicht aber auch die Besinnung an alte Stärken. Passend dazu schrie sich Reznor gewohnt zornig die Seele aus dem Leib. Nur mit dem Unterschied, dass ihm in den Pausen zwischen den Stücken inzwischen auch mal ein artiges "Thank you" über die Lippen rutschen konnte. Inklusive Lächeln, wie zu beobachten war.

Fragility 1.0

Erst der Mittelteil des Konzertes zeigte sich als Hommage an "The Fragile" [1] [2]. Vor allem in optischer Hinsicht. So war es bei "La Mer", als sich ein transparenter Vorhang senkte, der daraufhin von Filmprojektoren bestrahlt wurde. Es folgten hypnotische Videoeinspielungen. Passend zu den ruhigeren Klängen von "La Mer" und "The Great Below" erschienen auf überdimensionalem Format bewegliche Bilder von Unterwasseraufnahmen, Fischschwärmen und später auch von wandelnden Spermien. Die Band selbst agierte dabei im Hintergrund und war nur dann zu erkennen, wenn sie sporadisch frontbeleuchtet wurde. Als der Refrain zu "The Way Out Is Through" einsetzte, wandelte sich das Stimmungsbild. Bedrohliche Feuerwände erschienen und untermalten den sich steigernden Sound. Cut. Ein kurzes Pianosolo ertönte und die Show kehrte mit "Wish" zu seinen rockigen Ursprüngen zurück.

"I’ve been in hiding for a long time, but it’s crowds like you that make me happy to be playing again." Worte vom Meister leiteten den musikalischen Höhepunkt des Abends ein. Bei "The Day The World Went Away" übernahmen Reznor und Bassist Danny Lohner den Part der dröhnenden Gitarrenriffs, während sich Robin Finck um die krächzenden Laute und das Ukulele-Intermezzo kümmerte. Das Resultat entsprach im wesentlichen dem bekannten beatlosen Songformat und neigte sich bereits dem Ende zu, als Drummer Dillon langsam und vorerst zurückhaltend einsetzte. Die mystische Atmosphäre steigerte sich stetig dem Höhepunkt entgegen. Hymnische Na-Na-Na-Gesänge setzten ein und verwandelten die Halle in totale Ekstase. Es war einer jener Momente, die Konzertabende magisch werden lassen. Besser geht’s nicht. Besser konnte es selbst an diesem Abend nicht mehr werden.



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