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Viennale 2006, die Erste: Roadmovie und Familiendrama, vor allem aber ein extremst witziger Streifen. "Little Miss Sunshine" bietet Kinounterhaltung jener Sorte, wo man lacht, lacht, lacht...

Ihr Onkel (Steve Carell) hat soeben einen Selbstmordversuch überlebt. Getrieben von der gescheiterten Liebe zu einem anderen Mann wollte er sich das Leben nehmen. Ihre ohnehin bereits gestresste Mutter (Toni Collette) hat sich deshalb dazu entschlossen, ihn in den Schoß der Familie zu holen. Ihr Vater (Greg Kinnear) ist ein überambitionierter Motivationslehrer. Noch dazu ein erfolgloser, der knapp vor dem Bankrott steht. Ihrem Bruder (Paul Dano) ist alles egal. Er gibt ohnehin kein Wort von sich, liest lieber Nietzsche und will vor allem eines: Nichts mit seiner Familie zu tun haben. Was im Alter von 15 Jahren nicht ganz so einfach ist. Nicht zu vergessen ihr Großvater (Alan Arkin), ein alter Junkie. Obszön und vulgär, gleichzeitig aber doch liebevoll im Umgang mit seiner Enkeltochter. Wobei wir bei der siebenjährigen Olive (Abigail Breslin) angekommen sind. Das Nesthäkchen der Familie. Ihre Markenzeichen: Babyspeck, überdimensionale Brillen, rotes Stirnband. Ihr Ziel: Schönheitskönigin werden. Deshalb will sie auch bei "Little Miss Sunshine" teilnehmen, einem Wettbewerb für Kinder, der allerdings im fernen Kalifornien stattfindet. Da das Geld für einen Flug nicht vorhanden ist, bleibt nur der Roadtrip mit dem schrottreifen und äußerst anfälligen Familienfahrzeug, einem knallgelben VW-Bus. Man stelle sich nur vor: Die Anti-Bilderbuch-Familie, bestehend aus einem Haufen Verlierern, zusammengepfercht auf engsten Raum. Und das für mehrere Tage. Willkommen in der Hölle.

"Little Miss Sunshine": Greg Kinnear - Steve Carell - Paul Dano - Toni Collette - Abigail BreslinFünf Jahre sollte es dauern, bis "Little Miss Sunshine" beim Sundance 2006 für Standing Ovations sorgen konnte. Der Grund: Das liebe Geld. Das Spielfilm-Debut des Regie-Ehepaares Jonathan Dayton und Valerie Faris war den Produzenten lange Zeit schlichtweg zu "abartig". Dazu noch all die politische Unkorrektheit und die allgegenwärtige USA-Kritik. Schlussendlich wurde dann doch noch ein - äußerst potenter - Geldgeber aufgetrieben. Wobei sich das Risiko von Fox Searchlight auszahlen sollte, avancierte "Little Miss Sunshine" in den letzten Monaten doch immer mehr zu einem der Kritikerlieblinge des Jahres. Der Indie-Hit, der auch der breiten Masse gefällt. Die Mainstream-Ware, die auch den Cineasten zum Schmunzeln bringt. Kurz: Der Film für Jedermann. Vorausgesetzt man mag schwarzen Humor. Jenen der besonders zynischen Sorte. Wo verarscht wird, was nach allen Regeln der Kunst verarscht gehört.

Im Vorfeld zur diesjährigen Viennale habe ich in irgendeinem Weblog folgendes gelesen: "I just laughed my balls off for an hour and forty-five minutes." Recht hat er. Mir ging es genauso. "Little Miss Sunshine" ist einfach ein irre witziger Film. Eine Tragikkomödie der besten Art. Mit allem Drum und Dran. Zuallererst die wunderbar originellen, dabei aber durchaus alltäglichen Charaktere. Menschen wie du und ich, konfrontiert mit zerplatzten Träumen. Allesamt schauspielerisch großartig zum Besten gegeben. Herausragend dabei Steve Carell als schwuler Onkel mit Hang zum Suizid und Paul Dano als schweigsamer Bruder, der mit seiner raren, dafür umso wirkungsvolleren Art der Kommunikation für jede Menge Lacher sorgt. Beide Sinnbild für die größte Stärke des Films, nämlich die Intensivierung der Komik durch wortlose Bilder. Was nicht bedeutet, dass pointierte Dialoge bei "Little Miss Sunshine" nur zweite Geige spielen. Was ebenso nicht bedeutet, dass dieser Streifen nicht auch nahe des Geschmacklosen angesiedelte Albernheiten bietet, die eigentlich nur deshalb zum Brüllen komisch sind, weil es eben das herkömmliche, im Kino anzutreffende Ausmaß des Skurrilen überschreitet. Bestes Beispiel dafür ist der geniale Showdown mit dem Schönheitswettbewerb. Und damit meine ich gar nicht all die Mini-Missen mit auftoupierten Frisuren und antrainierten Lächeln. Am Besten man überzeuge sich selbst. Ab dem 1. Dezember auch in heimischen Kinos. "Little Miss Sunshine" muss man gesehen haben. Allein der supercoole VW-Bus ist es Wert.

Little Miss SunshineLittle Miss Sunshine
Regie: Jonathan Dayton, Valerie Faris.
Mit Steven Carell, Paul Dano, Greg Kinnear.
01.12.2006 / Viennale 2006 (OF)


[foxsearchlight.com/littlemisssunshine]

[Update (10): Filme der Viennale 2006]
[Update (11): Resümee zur Viennale 2006]
[Viennale 2006, die Zweite: "The Host" a.k.a. "Gue Mool"]
[Viennale 2006, die Dritte: "Half Nelson"]
srocca - 19. Nov, 20:50:
Ich glaube...
ich habe bei diesem Film sogar öfters gelacht als bei Borat, obwohl sich der Humor der beiden Filme nicht wirklich vergleichen lässt. 
wasix - 21. Nov, 18:10:
:-)))))
"borat" ist halt eine einzige große verarsche. schwer mit "little miss sunshine" zu vergleichen. die gemeinsamkeit liegt wohl einzig darin, dass man bei beiden streifen ausgiebigst ablachen kann. ansonsten ist "little miss sunshine" aber vollkommen anders. vielleicht/wahrscheinlich sogar besser...